Immer wieder klagen Frauen, die kürzlich ein Kind geboren haben, über Schmerzen im Körper. Auch Monate nach der Geburt können Hände, Füße oder der gesamte Körper schmerzen. Manche Frauen sagen, sie fühlen sich plötzlich wie Greisinnen. Der Begriff vom „Stillrheuma“ macht in diesem Kontext die Runde. Dazu gibt es in den einschlägigen Foren bereits viele Fragen und Antworten.
Für Irritationen sorgt, dass es tatsächlich ein Still-Syndrom (Morbus Still) gibt. Es wurde nach dem britischen Mediziner und Geburtshelfer Sir George Still (1861-1941) benannt. Dabei handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung, die als autoinflammatorisch bezeichnet wird. Es ist anscheinend eine rheumatische Autoimmunerkrankung, der eine juvenile und eine Erwachsene betreffende Form zugeschrieben wird. Vermutlich hat das selten auftretende autoinflammatorische Still-Syndrom jedoch nicht zwei unterschiedliche Formen. Wahrscheinlich tritt es mal im jugendlichen Alter, mal erst später auf. Eines ist jedoch festzustellen: Mit dem sogenannten Stillrheuma hat das Still-Syndrom absolut nichts zu tun.
Was versteht man unter Stillrheuma?
Zunächst muss erklärt werden, dass die Schmerzen, die manchmal nach Geburten auftreten, nichts mit Rheuma zu tun haben. Auch mit dem Stillen stehen die Schmerzen nicht in direktem Zusammenhang. Offensichtlich existiert jedoch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zeit, in der Frauen ihr Kind stillen, und Zuständen mit Schmerzen und Abgeschlagenheit. Die Ursache dafür ist nicht bekannt. Bisher bestand die Annahme, es könne sich möglicherweise um genetisch bedingte Autoimmunreaktionen handeln. Solche Schmerz-Reaktionen treten nur bei wenigen Frauen auf. Oftmals wird berichtet, dass das Phänomen des Stillrheumas vor allem nach dem ersten Kind auftritt.
Die meisten Betroffenen erleben noch Monate nach einer Schwangerschaft schmerzende Hände oder Füße. Es gibt Vermutungen, die Schmerzen könnten mit einem erhöhten Prolaktinspiegel zusammenhängen – ähnlich, wie er bei der rheumatischen Arthritis festgestellt wird. Stillt die Frau dann ein weiteres Kind, sind die Schmerzen oft wieder weg. Der Rat an die betroffenen Frauen lautet, vermehrt in der Liegeposition zu stillen, sich mehr auszuruhen und beim Stillen ein Kissen zu nutzen, um Hände und Arme zu entlasten. Es gibt gymnastische Übungen, die entlastend wirken können. Nur in sehr seltenen Fällen wird ein Antirheumatikum verordnet. Das ist aber eigentlich nicht sinnvoll.
Hat das Stillrheuma etwas mit Rheuma zu tun?
Mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis hat das Stillrheuma wahrscheinlich nichts zu tun. Schon der Begriff ist deshalb falsch gewählt. Es handelt sich vermutlich nicht einmal um entzündliche Prozesse, die Schmerzen auslösen. Der wahre Grund für solche Schmerzen könnte ganz woanders liegen. Eine mögliche Erklärung neben dem erhöhten Prolaktinspiegel könnten bestimmte Verhaltensweisen der jungen Mutter sein. Wenn Mütter zusammen mit ihren Babys im Bett liegen, kann es zu ungünstigen Körperhaltungen kommen. Diese können muskuläre Verspannungen oder skelettäre Fehlbelastungen mit sich bringen. Bei vielen Gelegenheiten tragen Mütter ihr Kind. Auch das wird nicht immer so geschehen, dass strukturelle Überlastungen ausgeschlossen sind.
Man kann sich vorstellen, dass vor allem die feinen Knochen in Händen und Füßen davon betroffen sind. Es bedarf allerdings schulmedizinischer Untersuchungen, um die Ursachen für das Phänomen des Stillrheumas wirklich aufzuklären. Die Bezeichnung „Stillrheuma“ bezieht sich auf den Zeitraum des Auftretens und die Art der Schmerzen. Als typische Symptome des Stillrheumas werden häufig Morgensteifigkeit, Erschöpfung oder Schmerzen in Finger- und Handgelenken sowie Füßen geschildert.
Die Schmerzen sind durchaus real – aber die Zuschreibung einer rheumatischen Erkrankung durch das Stillen eben nicht. Im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Stillen rheumatische Beschwerden auslöst, wurde bereits widerlegt. Eine Studie von Karlson aus dem Jahr 2004 wies nach, dass Stillen dem Auftreten von rheumatischen Erkrankungen entgegenwirkt. Heilpraktiker sehen die Ursachen für Schmerzen während der Stillzeit daher ganz woanders. Sie vermuten, dass das Bindegewebe, das durch die Schwangerschaft weicher geworden ist, keine ausreichende Stützfunktion mehr hat. Es muss sich erst wieder straffen.
Das Gewicht des Babys beim Tragen schafft zusätzliche Belastungen für den Körper der Mutter. Nicht in Abrede gestellt wird von Naturheilkundlern und Heilpraktikern auch eine Beteiligung des Prolaktins, das ein Stillhormon ist. Doch genau weiß eigentlich niemand, was die Schmerzen verursacht. Rheumatische oder gar autoimmun bedingte Prozesse können jedoch weitgehend ausgeschlossen werden.
Die Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin
Die Chinesen haben eine eigene Sicht auf den Organismus. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) führt das sogenannte Stillrheuma auf andere Zusammenhänge zurück. Chinesische Mediziner machen derzeit vor allem einen Blutmangel bzw. eine Schwächung im Blutfluss für die Schmerzen während der Stillzeit verantwortlich. Zudem leiden viele Mütter in dieser Zeit an Erschöpfungszuständen – beispielsweise durch die Strapazen der Geburt und die anstrengende Zeit danach.
Junge Mütter bekommen bekanntlich kaum Schlaf, weil das Kind gestillt werden will. Es benötigt beständige Fürsorge. Auch das Stillen selbst zehrt an den körperlichen Reserven. Es beansprucht beispielsweise die Eisen- und Vitaminspeicher. Schon die alten Chinesen wussten, dass Muttermilch den Blutfluss schwächt. Das Defizit an Vitalstoffen lässt sich vor allem an den Extremitäten wahrnehmen, die schlechter versorgt werden. Diese Sichtweise wird durch eine Beobachtung gestützt, die interessant ist. Das sogenannte „Stillrheuma“ bessert sich nämlich, wenn der Nachwuchs weniger von der nährenden Muttermilch benötigt. Daher erleben viele Frauen, dass die Schmerzen nach dem Abstillen langsam abklingen. Das allerdings kann bei manchen Frauen noch mehrere Monate brauchen. Die entleerten Nährstoff-Speicher müssen erst wieder aufgefüllt werden. Der Körper muss seine Energiereserven auffüllen und sich erholen.
Was können Betroffene gegen die Schmerzen unternehmen?
Folgen wir nun dem bisher Gesagten, ergeben sich einige hilfreiche Strategien. Die Traditionelle Chinesische Medizin und die Heilpraktiker sind sich in der Vorgehensweise einig. Die Empfehlung lautet:
- Mangelerscheinungen beheben
- Regeneration wichtiger nehmen
- Akupunktur nutzen
- und Nahrhaftes essen
Ob es tatsächlich zu Mangelerscheinungen gekommen ist, ist festzustellen. Doch eine ausreichende Versorgung mit Eisen, Vitamin C und Vitamin D3 durch die Zufuhr von entsprechenden Nahrungsmitteln ist sinnvoll. Gute Eisenquellen sind Wild oder rotes Fleisch aus Biohaltung, Hafer und Hirse, Weizenkeime und Weizenkleie sowie Kürbiskerne. Milch sollte vermieden werden, da sie die Eisenaufnahme hemmt. Stattdessen sollte Vitamin C zugeführt werden. Es sorgt für eine verbesserte Eisenaufnahme. Ideal wäre warmer Haferbrei mit etwas Apfelmus oder Orangensaft und einem Stück Butter. Für mehr Ruhepausen zu sorgen und täglich Mittagsschlaf zu halten, sorgt für die schnellere Regeneration. Erfahrungsgemäß kommen junge Mütter nachts kaum zum Schlafen.
Mit Akupunktur-Behandlungen kann der Blutfluss harmonisiert und verbessert werden. Auch die Blutbildung benötigt Zeit. Da jeder Organismus ein individuelles Universum darstellt, benötigt jede Frau ihre eigene Zeit, um sich zu erholen. Die Chinesen verabreichen Müttern mit „Stillrheuma“ nahrhafte Hühnerkraftbrühe, zubereitet aus hochwertigen und frischen Zutaten.
Stillrheuma: Unser Fazit!
Folgende Frage wartet auf Beantwortung: Handelt es sich beim „Stillrheuma“ um eine Ente – oder beruhen die Schmerzen stillender Frauen auf Fakten? Die Antwort muss differenziert ausfallen. Tatsächlich ist ein Phänomen bekannt, dass mit dem Begriff „Stillrheuma“ eine falsche Bezeichnung erhalten hat. Die Benennung „Stillrheuma“ ist irreführend. Sie suggeriert, dass es sich bei den Schmerzen tatsächlich um eine Art von Rheuma handelt. Außerdem legt der Begriff nahe, dass das Stillen die Ursache der Schmerzen ist. Beides ist nicht der Fall. Dennoch haben die Schwangerschaft und die daran anschließende Stillzeit einer Mutter erhebliche Belastungen zugemutet.
Die Erschöpfung wird dadurch erklärbar. Sie wird durch die notwendige Versorgung des Neugeborenen noch intensiviert. Oftmals tritt das Stillrheuma beim Stillen von Erstgeborenen auf. Beim ersten Kind sind junge Mutter oft unsicher und überbesorgt. Sie achten daher unzureichend auf sich selbst. Die Erschöpfung körperlicher Ressourcen macht sich manchmal durch strukturelle Schmerzen in Gelenken und Knochen bemerkbar. Auffallend ist, dass die Schmerzen bei stillenden Frauen oft an Händen und Füßen auftreten. Tatsächlich können die Extremitäten gelegentlich von einem mangelnden Blutfluss betroffen sein.
Während der Organismus Muttermilch herstellt, kann er möglicherweise weniger Blut bilden. Genau erforscht ist das nicht. Auch die Rolle des Prolaktins ist noch nicht hinreichend geklärt. Doch in der Summe aller Dinge scheint klar: Das Stillrheuma ist ein existierendes Phänomen. Es sollte jedoch eine andere Bezeichnung erhalten. Mit dem Abstillen und geeigneten Regenerations-Maßnahmen erledigt es sich oft von selbst. Spätestens nach der zweiten Geburt sind die Schmerzen ausgestanden.